Was versteht man unter "Chapter 11"?

Chapter 11 gehört zum Insolvenzrecht der USA und ist eigentlich nur ein bestimmter Abschnitt, der eine gerichtlich überwachte finanzielle Reorganisation des Unternehmens ermöglicht. Chapter 7 und Chapter 13 sind andere Varianten, wenn das Unternehmen nicht mehr zu retten ist oder eine sehr milde Form der Insolvenz in Kraft tritt. Wir erklären im Folgenden die Definition, Anwendung und Unterschiede.


Verlauf der Insolvenz mit Chapter 11

Wenn sich ein US-Unternehmen im Zuge eines Insolvenzverfahrens für Chapter 11 entscheidet und das Gericht dem zustimmt, dann wirtschaftet das Unternehmen weiter, tritt den Großteil seiner Gewinne an die Gläubiger ab, strukturiert sich nach den Auflagen des Gerichtes um und kann damit einen Neustart bewerkstelligen. Die beiden Alternativen zu Chapter 11 sind:

  • Chapter 7: Liquidation
  • Chapter13: Restrukturierung der Schulden

Bei Chapter 7 ist das Unternehmen nicht zu retten. Bei Chapter 13 tritt eine sehr milde Form der Insolvenz in Kraft, die Schulden werden teils gestreckt, einige Gläubiger stimmen auch einem Schuldenschnitt zu. Chapter 11 kommt der deutschen Regelinsolvenz von überschuldeten, aber an sich lebensfähigen Unternehmen am nächsten. Mit Chapter 11 können die betroffenen Unternehmen zunächst am Markt wirtschaften und versuchen, Gewinne zu erzielen. Hierauf muss es eine realistische Aussicht geben, sonst stimmt das Insolvenzgericht Chapter 11 nicht zu. Umzuorganisieren sind unter anderem:

  • Schulden
  • Leasingvereinbarungen
  • Kapitalstock und Beteiligungen
  • Kontrakte mit Lieferanten und Kunden
  • Mietverträge
  • Gehalts- und Provisionsvereinbarungen

Die Gläubiger können während der Dauer von Chapter 11 keine Vollstreckungsmaßnahmen oder andere juristische Schritte gegen das Unternehmen einleiten. Insofern ähnelt Chapter 11 stark der deutschen Insolvenz, es gibt aber auch gewichtige Unterschiede. So ist die Dauer des Verfahrens nach Chapter 11 im Gegensatz zur deutschen Insolvenz nicht festgelegt. Ein Unternehmen kann sich für einige Wochen bis mehrere Jahre unter den Schutz von Chapter 11 begeben, bis die Umstrukturierung gelungen oder gescheitert ist. Die durchschnittliche Dauer beträgt rund zwei Jahre (deutsches Insolvenzrecht: sieben Jahre). Ein weiterer Unterschied ist die Möglichkeit, sich weiter zu finanzieren. Das ist nach deutschem Insolvenzrecht nicht möglich, während ein US-Unternehmen unter Chapter 11 weiter Kredite aufnehmen kann, voraussichtlich aber sehr viel höhere Zinsen zahlt und höhere Sicherheiten stellen muss.

Häufigste Szenarien nach Chapter 11

Viele Unternehmen schaffen es, eine neue Leistungsfähigkeit herzustellen. Ihre Anteilseigner gehen aber oft leer aus, sie müssen nach Abschluss des Chapter 11 Verfahrens auf ihre Unternehmensanteile verzichten, die den Gläubigern zufallen. Diese können, müssen aber nicht unbedingt ihre Forderungen damit decken. Gläubiger stimmten daher Chapter 11 zu, wenn sie der Auffassung sind, dass es sich um ein lebensfähiges Unternehmen (unter Umständen mit bedeutenden Marken) handelt, dessen Besitz langfristig wertvoller sein kann als das teilweise Beitreiben von Forderungen. Unter Chapter 11 können aber Altschulden auf gerichtliche Anordnung auch gestrichen werden, ebenso ist es möglich, langfristige Miet- und Tarifverträge aufzuheben. Sollte das Unternehmen eine Aktiengesellschaft mit Platzierung an der NYSE gewesen sein, wandern die Aktien nach Chapter 11 an die NASDAQ und erhalten ein “Q” vorangestellt. Es gab schon sehr große, prominente Unternehmen unter Chapter 11, darunter Worldcom (2008), Lehman Brothers (2008) und General Motors (2009).

Vorteile durch Chapter 11

Unternehmen können Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragen, wenn sie voraussehen, dass sie bestimmte Forderungen nicht bewältigen werden. Auch das gibt es so im deutschen Insolvenzrecht nicht. Der gesamte Sinn des Verfahrens läuft darauf hinaus, ein prinzipiell funktionierendes Unternehmen zu erhalten, das oft durch unerwartete äußere Umstände in Schieflage geraten ist. Diese Umstände können starke Marktverwerfungen oder neue Umweltauflagen sein, die so weder vorauszusehen noch steuerbar waren. Das Unternehmen benötigt einige Zeit für seine Marktanpassung, ist aber so strukturiert, das seine Fortführung allen Beteiligten den meisten Gewinn oder den geringsten Verlust bringt: den Mitarbeitern, der Öffentlichkeit, dem Staat und den Gläubigern.
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